Überwintern in Groß Kiesow

Ein Gespräch mit zwei Frauen, die auszogen, das Reisen zu lernen

Wir haben für unser dorf­ge­spräch zwei Men­schen ken­nen­ge­lernt, die ohne von­ein­an­der zu wis­sen ihren Win­ter in den Dör­fern von Groß Kiesow ver­brin­gen. Viel­leicht gibt es ja sogar mehr davon?
Eine davon ist Wen­cke Bell­mann, die mit ihren zwei Kalt­blü­tern, einer Kut­sche und einem Hund durch Nord­deutsch­land reist. Die ande­re ist Anne Wacker, die (in Vor­pom­mern auf­ge­wach­sen) die Regi­on ver­las­sen hat und mit Hund in ihrem VW-Bus wohnt. Damit hat sie Spa­ni­en und Por­tu­gal bereist und ist nun über den Win­ter zurück­ge­kehrt.
Wen­cke hat am Kir­chen­gut Strel­lin ein Win­ter­quar­tier gefun­den. Anne nutzt die Scheune27 in Krebs­ow als Refle­xi­ons­ort.
Das Gespräch führ­ten Ant­je Kes­ten und Frank Hellbrück.

Ant­je Kes­ten:
Ich habe eine ers­te Fra­ge: War­um seid ihr unse­rer Ein­la­dung gefolgt?

Wen­cke Bell­mann:
Naja, also wenn die Ein­la­dun­gen, beson­ders freund­lich sind, folgt man doch eigent­lich immer.

Anne Wacker:
Ich glau­be bei mir ist das aus der Idee und Visi­on her­aus ent­stan­den, ein ande­res Bewusst­sein für die Gegend und die Men­schen zu schaf­fen. Ich fin­de es ganz schön, da mal in Aus­tausch zu gehen, Ideen aus­zu­tau­schen, was uns bewegt und ja, viel­leicht auch mal so zu zei­gen, dass es auch ande­re Moti­ve gibt, hier zu sein.

Frank Hell­brück:
War­um gera­de Groß Kiesow — war das Zufall oder geplant ?

AW
Eine Mischung aus Zufall und geplant. Ich bin ja über Work­A­way (Mit­hil­fe gegen Kost und Logis Anm. der Redak­ti­on) in Krebs­ow gelan­det und ich woll­te aber auch ein biss­chen in der Nähe mei­ner Mut­ter sein, die in Hans­ha­gen lebt. Und irgend­wann waren es dann zwei Mona­te, vier Mona­te, dann sechs Mona­te.
Ich woll­te hier­her zurück­keh­ren — mit einem ande­ren Blick. Denn ich habe frü­her schon mal ein paar Jah­re in der Regi­on gelebt und mei­ne Aus­bil­dung gemacht. Je öfter man weg ist, des­to mehr ver­än­dert sich auch die Sicht­wei­se da drauf. Und dem woll­te ich mal nachgehen.

WB
Ja, bei mir war es auch eine Mischung aus Zufall und geplant. Seit ich die Burg Klem­pen­ow auf mei­nem Weg gekreuzt habe, war mir klar, hier in der Regi­on will ich blei­ben im Win­ter. Im Las­saner Win­kel sind die Leu­te sehr auf­ge­schlos­sen und sehr freund­lich. Und dann habe ich ange­fan­gen, hier in der Regi­on nach einem Win­ter­quar­tier zu suchen. Dass ich jetzt aus­ge­rech­net in Strel­lin auf dem Kir­chen­gut gelan­det bin, das war tat­säch­lich sehr zufäl­lig. Ich habe dann über eine Annon­ce gezielt nach einem Quar­tier gesucht und ver­schie­de­ne Ange­bo­te bekom­men. Bei der Suche auf dem Weg hat­te mich ein net­ter Herr ange­spro­chen und gesagt, fahr da (Strel­lin) mal hin, die sind nett, da kannst du bestimmt eine Nacht bleiben.

AK
Und hast du den Herrn noch­mal wie­der getroffen?

WB
Nee.

AK
Ansons­ten wärst du wei­ter gefahren.

WB
Ja.

AK
Bist du hier über­rascht wor­den von den Din­gen, die du vor­ge­fun­den hast?

WB
Ja, durch­aus. Also ich habe hier das ers­te Mal röh­ren­de Hir­sche gehört, Glüh­würm­chen gese­hen oder Biber­spu­ren ent­deckt. Also ich fin­de die Natur hier schon noch irgend­wie wil­der. Ja, und die Men­schen sind schon ein biss­chen zurück­hal­ten­der ins­ge­samt, aber jetzt nicht unfreundlich.

FH
Hat­test du spe­zi­ell hier in der Gemein­de Gro­ße Kiesow und Umge­bung über­ra­schen­de Begeg­nun­gen? Hast Du über­haupt Kon­tak­te über den Hof in Strel­lin hinaus?

WB
Tat­säch­lich nicht so wahn­sin­nig viel. Hier (Café Hof Drei) ist natür­lich so ein Kno­ten­punkt, der sich hier ent­wi­ckelt, wo man neue Leu­te ken­nen­ler­nen kann. Aber ich habe tat­säch­lich die Win­ter­pau­se ja auch ein biss­chen gear­bei­tet am Hof und auch außer­halb gear­bei­tet Also ich hat­te nicht so wahn­sin­nig viel Zeit, die Regi­on zu erkun­den. Hing auch so ein biss­chen damit zusam­men, dass ich zum Bei­spiel kei­ne schö­nen Rund­we­ge für den Hund oder die Pfer­de habe. Und dadurch bin ich ein biss­chen weni­ger aus­wärts gewe­sen sozusagen.

AK
Anne, bist du über­rascht wor­den von irgend­et­was, obwohl du ja die Regi­on kann­test, aber jetzt mal mit zeit­li­chem Abstand mal wie­der hier auftauchst?

AW
Ich fin­de es span­nend, dass sich an sol­chen Orten, wie der Scheune27, wirk­lich Gleich­ge­sinn­te tref­fen. Und es sind dann, es war immer nur so eine Hand­voll Leu­te, aber das sind Leu­te, die es wirk­lich so ähn­lich drauf sind. Also ein ähn­li­ches Wer­te­sys­tem haben und auch einen ähn­li­chen Ent­wick­lungs­stand, was das eige­ne Bewusst­sein angeht. Also nicht nur für die Umwelt, aber auch für sich selbst und die Com­mu­ni­ty. Dann bin ich ja nach Krebs­ow gekom­men und da war ich dann doch schon über­rascht, Men­schen zu tref­fen, die doch sehr welt­of­fen sind und auch sehr weit­sich­tig den­ken, weil das kriegst du halt nicht so wirk­lich mit, wenn du hier zur Schu­le gehst und viel­leicht noch eine Aus­bil­dung machst, kommst du nicht an die ran.

WB
Ja, ich fin­de sol­che Spots hier in der Regi­on gar nicht so selten.

AK
Ich weiß von Euch bei­den, dass ihr eine Aus­bil­dung und einen Beruf habt, den ihr irgend­wann zu einem gewis­sen Zeit­punkt nicht mehr aus­füh­ren woll­tet und einen posi­ti­ven, kon­struk­ti­ven Bruch gesetzt habt. Viel­leicht erzählt ihr was darüber.

AW
Ja, also ich woll­te eigent­lich immer was Künst­le­ri­sches machen, hat­te dazu aber nicht die Für­spra­che mei­ner Fami­lie, die ein­fach noch ganz stark auf Sicher­heit bedacht war. Dann habe ich gesagt, okay, dann gehe ich halt in die Wirt­schaft und bin dann im Mar­ke­ting gelan­det. Ich hat­te ein super Stu­di­um in Groß­bri­tan­ni­en absol­viert und eine super tol­le Zeit gehabt. Ich bin ganz lan­ge auch bei “Otto” gewe­sen, das war auch schön. Und irgend­wann kam dann Coro­na und dann dach­te ich, das macht alles kei­nen Sinn mehr. Die Ver­än­de­rung der Wirt­schaft und der Gesell­schaft spie­gel­te sich im Mar­ke­ting wider. Mar­ke­ting reflek­tiert ja immer die Mar­ke in Bezug auf Gesell­schaft und Umwelt. Ich merk­te, das geht gar nicht mehr um mich, und es geht auch gar nicht mehr um die­sen Pro­zess bei der Arbeit oder um das Fach, das ich gelernt habe, son­dern nur dar­um, wie kom­me ich schnel­ler an viel Geld. Da habe ich dann gemerkt, das passt nicht mehr für mich. Ich konn­te da ein­fach kei­nen Weg für mich fin­den, und ent­schloss mich mal work­a­way zu machen. Und das war rich­tig cool, weil ich tat­säch­lich sol­che Orte wie Krebs­ow oder Bors­fleth auch im Aus­land gefun­den habe. Und Men­schen, die genau so ticken. Es ist eigent­lich viel mehr ein Tausch, es geht jetzt weni­ger um die Wäh­rung Geld, son­dern ein­fach um ande­re Arten von Wäh­rung. Und ich habe das jetzt fast zwei Jah­re gemacht und hat­te dadurch Raum noch­mal ganz neu auf mei­nen alten Beruf zu bli­cken und dadurch hat sich dann die Idee der Selbst­stän­dig­keit ent­wi­ckelt. Ich woll­te aber eigent­lich nicht mit der Dis­zi­plin bre­chen, weil ich den Job mag. Ich mache das ger­ne. Ich mache das nur nicht ger­ne mit Idio­ten. Und habe dann gemerkt, dass das Umfeld wich­tig ist.

WB
Ja, span­nend. Darf ich fra­gen, was denn da jetzt dei­ne Idee ist für dei­ne Selbstständigkeit?

AW
Eigent­lich mache ich Mar­ken­kom­mu­ni­ka­ti­on und Unter­neh­mens­stra­te­gie. Ich Will mich aber davon so ein biss­chen ent­fer­nen und mehr in das The­ma, das nennt man “Tri­bal Mar­ke­ting”, also Tri­be ist ja der Stamm. Und da geht es zum einen dar­um, dass du Com­mu­ni­tys hilfst, in die Ver­mark­tung, Selbst­ver­mark­tung zu kom­men. Das muss jetzt nicht zwangs­läu­fig wirt­schaft­lich sein, aber es kann auch ein­fach kom­mu­ni­ka­tiv sein. Und zum ande­ren sind das natür­lich sozio­kul­tu­rel­le Ent­wick­lun­gen, die für sinn­stif­ten­de Mar­ken wie­der inter­es­sant sind. Wie kann ich wirk­lich sinn­voll Kon­su­men­ten anspre­chen und nicht die eier­le­gen­de Woll­milch­sau in den Markt drü­cken, son­dern wirk­lich gezielt Sinn stif­ten, den Leu­ten das geben, was sie brauchen.

AK
Ja, span­nend. Wie ist das bei Dir?

WB
ich bin aus­ge­bil­de­te und ver­be­am­te­te Leh­re­rin für Haupt‑, Real- und Gesamt­schu­len mit den Fächern Deutsch und Erd­kun­de und habe aber schon rela­tiv früh gemerkt, dass ich unter den Rah­men­be­din­gun­gen, die jetzt im Leh­rer­be­ruf herr­schen, nicht wei­ter arbei­ten kann und will. Als ich 30 war, habe ich die klas­si­sche Bauch­lan­dung mit Depres­si­on und Burn­out hin­ge­legt und habe dann im Lau­fe der ver­gan­ge­nen zehn Jah­re ange­fan­gen, eini­ges in mei­nem Leben umzu­struk­tu­rie­ren. Und dann war es ähn­lich wie bei dir die Coro­na-Zeit, die, glau­be ich, den ent­schei­den­den Bruch für die­sen Lebens­wan­del gebracht hat. Da war ich mit mei­nem Ex-Part­ner auf Rei­sen kreuz und quer durch Euro­pa und da habe ich die­ses mini­ma­lis­ti­sche Rei­se­le­ben lie­ben gelernt.

FH
Das heißt, da hast du dich da schon beur­lau­ben las­sen aus dei­nem Lehrerberuf?

WB
Genau, also ich woll­te noch nicht sofort den Leh­rer­be­ruf kom­plett an den Nagel hän­gen — also ich will arbei­ten, nur eben, wie gesagt, unter den Rah­men­be­din­gun­gen nicht mehr. Und dann habe ich mir eben auch eine Aus­zeit genom­men und gesagt, ich lege die­sen Beruf jetzt erst­mal auf Eis, habe mich beur­lau­ben las­sen, aller­dings ohne Besoldung.

AW
Hast du denn noch­mal vor, in die­sen Beruf zurück­zu­ge­hen oder ihn auch in irgend­ei­ner Art und Wei­se zu nut­zen in der Zukunft?

WB
Ja, also das Ding ist, ich kann es wirk­lich gut. Also im Leh­ren und Ler­nen macht mir so schnell wie bei dir. Also ich war ein Ass in dem Beruf. Aber ich weiß nicht, ob ich mich wie­der von der Schul­klas­se sehe. Wenn dann viel­leicht auch da unter ande­ren Rah­men­be­din­gun­gen, wo das Umfeld für mich passt.

AK
Was hat dir an dem Beruf so Spaß gemacht? Irgend­wie das Leh­ren oder der Umgang mit Men­schen? Oder was war das, wofür du eigent­lich den Beruf ergrif­fen hast?

WB
Ja, also wenn es gut läuft, kann man sich auch krea­tiv aus­to­ben in dem Beruf. Aber lei­der bleibt das im All­tag auf der Stre­cke, weil es ein­fach nicht mach­bar ist. Ja, es ist halt schon schön, jun­ge Men­schen ein biss­chen an die Hand neh­men zu kön­nen und ihnen eine Begeis­te­rung für ein Fach oder für ein The­ma mit­zu­ge­ben. Also nur wer sel­ber brennt, kann ande­re anstecken.

FH
Gibt es für euch eine Art Essenz, was die­ses Rei­sen aus­macht? Hat es euch verwandelt?

WB
Also viel unter­wegs zu sein, heißt, man ist stän­dig in neu­en Umfel­dern ist — sowohl mensch­lich als auch natür­lich. Man lernt ein­fach vie­le Men­schen ken­nen und vie­le unter­schied­li­che Ansich­ten, vie­le schö­ne Land­schaf­ten. Die mensch­li­che Ver­än­de­rung bedeu­tet eben, dass die See­le, das Herz gefüllt ist mit Erleb­nis­sen. Die Din­ge, die ich alle in den letz­ten ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren erlebt habe, die hät­te ich nie­mals erlebt, wenn ich sess­haft geblie­ben wäre. Da bin ich zu 100% sicher. Das ist so für mich die Quint­essenz, die­ses Aben­teu­er­li­che und Abwechslungsreiche.

AW
Ich muss tat­säch­lich sagen, am Anfang war es bei mir ähn­lich. Es hat sich jetzt ein biss­chen ver­än­dert.
Und das ist tat­säch­lich das, was ich irgend­wie gera­de erfah­re. Also, es ist eigent­lich eine Rei­se zu mir sel­ber. Je län­ger ich unter­wegs bin, des­to mehr ver­än­dert sich der Blick vom Außen nach Innen. Und ich wür­de sagen, es gibt noch kei­ne fina­le Quint­essenz, aber der Sta­tus quo ist auf jeden Fall, dass ich auf den Rei­sen wirk­lich mehr zu mir gefun­den habe und ver­schie­de­ne Erleb­nis­se hat­te, die mich auch zutiefst her­aus­ge­for­dert haben. Ich habe gesagt, ich kann jetzt völ­lig am Rad dre­hen oder ich ver­su­che irgend­wie die Situa­ti­on so zu lösen, dass ich dar­aus was Posi­ti­ves machen kann. Und das, wür­de ich sagen, ist mei­ne der­zei­ti­ge Quintessenz.

AK
Gibt es etwas, das ihr vor­sich­tig als Hei­mat bezeich­nen würdet?

AW
Ich glau­be, es sind tat­säch­lich die Men­schen, mit denen man zusam­men ist. Je län­ger man unter­wegs ist und sich reflek­tiert, des­to mehr zeigt sich das auch im Außen, mit den Leu­ten, mit denen man Zeit ver­bringt — die Reso­nanz wur­de im Kon­takt immer stärker.

WB
Ja, ich glau­be, ich bin da ganz tra­di­tio­nell. Also Hei­mat ist das, wo ich auf­ge­wach­sen bin: Das bleibt die nie­der­säch­si­sche Nord­see zwi­schen Wil­helms­ha­ven und Oldenburg.

FH
Mit wel­cher inne­ren Hal­tung seid Ihr gereist? Mir ste­hen da zwei Zita­te vor Augen: „Der Weg ist das Ziel“ und aus einem Gedicht von Chris­ti­an Mor­gen­stern der Satz, „…wer vom Ziel nichts weiß, kann den Weg nicht haben…“. Die bei­den Aus­sa­gen ste­he sich ja etwas polar gegen­über. Seid Ihr eher ziel­ori­en­tiert oder mehr weg­ori­en­tiert unterwegs?

WB
Also für mich wür­den die­se bei­den Zita­te gar nicht so kon­trär sein. Ich glau­be, in dem Moment, wo du ein grund­le­gen­des Ziel hast, du weißt, war­um du das machst oder wohin du willst, dann gibt es trotz­dem ver­schie­de­ne Wege, die dahin füh­ren, aber die eröff­nen sich erst dann. Es gibt in der Wan­der­sze­ne den Begriff des “Trail Magic”. Sobald du anfängst, die­sen Weg zu beschrei­ten, dann wird der Pfad dafür sor­gen, dass dir immer das ent­ge­gen­tritt oder dir begeg­net, was du gera­de brauchst. Ich glau­be, die Ent­schlos­sen­heit, die ist ganz ent­schei­dend, damit der Weg zum Ziel wer­den kann. Also sich ganz bewusst für etwas ent­schlie­ßen und sich zu fra­gen, was will ich wirk­lich, was tut mir gut, war­um will ich etwas beson­ders ger­ne. Und das Leben sozu­sa­gen nicht zu viel dem Zufall zu über­las­sen. Und wenn man dann die­se Ent­schlos­sen­heit an den Tag legt, dann ist da trotz­dem ein Raum für Zufälle.

AW
Ja, wür­de ich auch so sagen. Also ich glau­be, es braucht ein Ziel, eine Ent­schlos­sen­heit für etwas, trotz­dem aber auch die Fle­xi­bi­li­tät auf dem Weg mal einen Umweg zu neh­men. Man hat dann ja auch in her­aus­for­dern­den Momen­ten kei­ne Ori­en­tie­rung, wenn du nicht weißt, wofür du das gera­de machst und du stran­dest dann, dein Bus hat einen Plat­ten oder dein Pferd erkrankt. Dann brauchst du eine Quel­le der Kraft. Dann unter­stützt dich das auch in schwe­ren Momen­ten und auch in Momen­ten der Ein­sam­keit. Also ich fin­de das The­ma Ein­sam­keit, ist ein extre­mes The­ma auf Rei­sen. Man glaubt immer, man ist, man fährt mit dem Bus nach Por­tu­gal oder nach Spa­ni­en, so wie tau­send ande­re. Nee, also da sind ande­re, aber jeder ist in sei­ner Bubble. Und am Ende des Tages, man erkennt dann auch wie­der genau die, die zu einem pas­sen, das ist die gute Sei­te dar­an, also man hat so einen selek­ti­ven Blick dafür, fin­de ich.

FH
Genießt ihr die­ses Allei­ne-Sein? Ist es auch eine Rei­se zu euch Selbst oder gibt es da auch die Sehn­sucht, neue Begeg­nun­gen zu haben und Kon­tak­te zu knüpfen?

WB
Ja, es ist sicher­lich auch eine Rei­se zu sich selbst. Ich glau­be, das pas­siert ein­fach, mein Vater hat es letz­tens lapi­dar als Selbst­fin­dungs­trip abge­tan Nein, ist es nicht. Es ist ein Lebens­ent­wurf und kei­ne Aus­zeit. Ja, also ich glau­be, das ist noch­mal wie­der was ande­res. Ich mit mei­nen Tie­ren, die so unglaub­lich viel Auf­merk­sam­keit von über­all auf sich saugt, weil es sowas Exo­ti­sches ist, im Gegen­satz zu jeman­dem, der mit dem Van unter­wegs ist. Inso­fern habe ich unglaub­lich vie­le Begeg­nun­gen, dann kann man nicht von allei­ne sein spre­chen. Ich mag das Allein­sein und ich brau­che es nach Fei­er­abend auch ganz defi­ni­tiv, eben durch die­se vie­len Begegnungen.

AW
Also ich fin­de auch, dass ich es mehr brau­che, seit ich unter­wegs bin. Das ist Zeit für mich. Man lernt, die Spreu vom Wei­zen zu tren­nen. Und ich glau­be, man wird resi­li­en­ter, für sein Umfeld, du lernst, mit Gelas­sen­heit und Leich­tig­keit ande­ren Men­schen zu begegnen.

AK
Wel­che Rol­le spielt euer Gefährt bei euren Rei­sen? Da ich fast ver­mu­te, dass ein Stück Hei­mat ist. Des­halb bin ich so opti­mis­tisch in die­ser Fra­ge gekommen.

WB
Zu Hau­se auf jeden Fall. Für mich ist es ein Schne­cken­häus­chen, wo man sich zurück­zie­hen kann und wo man weiß, man hat tro­cken und warm und gemütlich.

AW
Die­ses Gefährt ist für mich eigent­lich per­so­ni­fi­ziert. Der Wagen gehört so krass in mein Leben. Ich rede auch mit dem Auto, wenn ich unter­wegs bin. Also gera­de, wenn wir auf der Stre­cke zwi­schen Bor­deaux und San Sebas­ti­an unter­wegs sind und es voll und heiß ist, dann klop­fe auf das Arma­tu­ren­brett und über­zeu­ge ihn zum Durch­hal­ten. In den vier Jah­ren hat­te der Wagen nie eine Pan­ne. Er heißt auch Har­dy und auch in mei­nem Freun­des­kreis wird gefragt was macht Har­dy. Wie geht’s Har­dy? Und die­se mucke­li­gen Aben­de, wenn es drau­ßen reg­net und don­nert. Ich hat­te vor­letz­ten Som­mer, habe ich ein paar Mona­te in einem Öko­dorf im All­gäu gelebt. Da stand ich dann auch drau­ßen, mit dem Bus über den Som­mer, da sind dann immer so kras­se Som­mer­ge­wit­ter. Da habe ich die Bul­li­tür auf­ge­macht. Das war ein rich­ti­ger Sturm. Und die war­me Luft kam in den Bus und alles ist durch die Gegend geflo­gen. Es hat gekracht und du sitzt dann da drin. Ja, das ist ein­fach toll. Du bist safe.

AK
Also so wie ihr das beschrie­ben habt, fühlt es sich an wie ein Pull­over, den man über­streift, mit dem man allei­ne nur unter­wegs ist.

WB
Ja, meins ist dann schon auch ein Kängurubeutel.

AK
Zum Abschluss noch drei Fra­gen, wo Ihr Euch spon­tan für eine Ant­wort ent­schie­den müsst:
Ber­ge oder Meer.

AW
Meer

WB
Bei­des nicht.

FH
Bier oder Wein?

WB
Wein.

AW
Das ist aber eine ver­dammt schwe­re Fra­ge – kann ich nicht beantworten.

AK
Regen­schirm oder Regenjacke?

WB
Regen­ja­cke

AW
Regen­schirm

Das Gespräch wur­de in gespro­che­ner Spra­che auf­ge­zeich­net und ohne umfang­rei­che sti­lis­ti­sche Kor­rek­tu­ren hier wiedergegeben.